Im Rahmen der StudentInnenbewegung wurde die AG Uni barrierefrei gegründet.
Hier zur WIKI-Seite über diese AG.
Die AG Uni barrierefrei hat das Transkript zu der Radiosendung „Auf die Barrieren“, bei der Flo und Antonia als Gäste der AG Barrierefreie Uni dabei waren, uns zur Verfügung gestellt. Zum auditiven Radiointerview.
Transkript:
Radio Stimme
Sendungstranskript der Sendung „Auf die Barrieren!“
vom 3.11.2009
Gert, Alexandra = ModeratorInnen
Flo, Antonia = Gäste (Mitglieder der AG Barrierefreie Uni)
*Musik*
GERT: Radio Stimme, die Sendung der Initiative Minderheiten. Hallo und herzlich Willkommen bei Radio Stimme, der Sendung der Initiative Minderheiten, begrüßen Sie und Euch Alexandra Siebenhofer und Gert Veilchers. Radio Stimme ist das politische Magazin zu den Themen „Minderheiten, Mehrheiten und Machtverhältnisse“. Zu hören ist unsere Sendung jede zweite Woche auf den freien und nicht-kommerziellen Radiostationen in Österreich und im Internet.
Die Uni brennt, und Radio Stimme brennt mit. Unsere heutige Sendung steht -wie könnte es anders sein- ganz im Zeichen der österreichweiten Uniproteste. Aber -wie könnte es anders sein- wir wollten heute über ein Thema diskutieren, das bei der medialen Berichterstattung über die Proteste der Studierenden und der Lehrenden an den Universitäten nicht ganz im Zentrum steht: barrierefreies Studieren. Die StudentInnen haben einen umfangreichen Forderungskatalog verfasst. Die Forderungen reichen von der tatsächlichen Abschaffung der Studiengebühren für alle, über bessere Studienbedingungen, bis hin zur Re-demokratisierung der Universitäten. Insgesamt umfasst der Katalog fünf Punkte mit zahlreichen Unterpunkten. Eine der Forderungen, die bislang in der medialen Berichterstattung wenig bis kaum Beachtung gefunden hat, zielt auf den barrierefreien Zugang zu Studium und Universität ab. Er lautet: Das Behindertengleichstellungsgesetz muss an allen österreichischen Universitäten umgesetzt werden, um ein barrierefreies Studieren zu ermöglichen.
EINSPIELUNG: „Hallo, hallo alle miteinander! Hallo, ich bin die Barbara. Und ich bin vom Verein österreichischer gehörloser Studierender, gehörlose und schwerhörige Studierendenvertretung. Wir waren bei der Audimaxbesetzung dabei. Es sind ganz, ganz viele gehörlose Studenten, gehörlose Teilnehmer auch hier auch bei der Demo dabei. Und unser Ziel ist es Bildung für alle zu garantieren. Das heißt barrierefreie Bildung auch für uns. Gehörlose Studenten brauchen barrierefreien Bildungszugang. Und wir solidarisieren uns auf diese Weise mit euch allen. Zugangsbeschränkungen, so wie sie derzeit an der Universität vorherrschen, stellen eine Hürde für Gehörlose dar. Es gibt Aufnahmeprüfungen, die Zugänge werden nicht nur für Studenten beschränkt, aber für behinderte Studenten, für gehörlose Studenten ist es eine doppelte Hürde. Bildung für alle! Keine Zugangsbeschränkungen! Keine Aufnahmeprüfungen! Wir fordern auch Zugang zu Skripten, um barrierefreien Zugang zu Bildung zu haben, ist es für uns notwendig, Skripten zu haben, Mitschriften zu organisieren, Dolmetscher. Genauso geht es schwerhörigen Studenten, dass sie unmöglich den Vorlesungen folgen können, wenn sie nur in Lautsprache abgehalten werden und nur von den Lippen abgelesen werden muss. Es ist unmöglich hier Bildung vermittelt zu bekommen. Wir fordern, dass das offen zugegangen wird. Und Skripten online für alle zugänglich sind. Unsere dritte Forderung ist, dass endlich das Gleichstellungsgesetz, das Behindertengleichstellungsgesetz, an der Uni umgesetzt wird. Das heißt, Gebärdensprachdolmetscher in den Vorlesungen, an denen Gehörlose teilnehmen. Tutoren, Schriftsprachdolmetscher und weitere Forderungen, die bereits im Gesetz stehen. Ihr müsst euch vorstellen: in ganz Österreich an sämtlichen Hochschulen gibt es nur zwanzig gehörlose Studenten, und das ist ein Wahnsinn! Diese schlechte Bildungssituation kann so nicht weitergehen. Allein in Schweden, wenn man vergleicht, gibt es etwa sechshundert gehörlose Studenten. Wenn man sieht in Wien sind es zwanzig, das ist unerhört! Bildung für alle!
Wir vom VÖGS, wir solidarisieren uns mit allen Teilnehmern. Wir solidarisieren uns mit allen anderen Gehörlosen, die die ganze Zeit über unterdrückt wurden vom Oralismus. Wir verlangen unsere Freiheit, wir verlangen Gebärdensprache in der Ausbildung, Gebärdensprache im Unterricht. Wir wollen nicht zwanzig Jahre lang warten, bis wir unser Studium abschließen können. Wenn wir uns andere Situationen anschauen, zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, in Skandinavien, dann sind die uns um Jahrzehnte voraus. Das geht so nicht weiter, das lassen wir uns nicht gefallen! Danke für die Aufmerksamkeit, danke für eure Solidarität!“
ALEXANDRA: Das waren Barbara Hager und David Dawei Ni vom Verein österreichischer gehörloser Studierender. Die beiden haben die Rede letzten Mittwoch auf der großen Uni-Brennt-Demo vorgetragen, in Gebärdensprache. Ihr habt gerade eine Übersetzung für Hörende gehört.
Die Forderung nach einem barrierefreien Studium ist auch eine der zentralen Forderungen der Proteste. Eingebracht hat die Forderung die AG Barrierefreie Uni. Und sie ist eine von rund achtzig Arbeitsgruppen, die sich spontan im Zuge der Audimaxbesetzung formiert haben. Wir haben heute Antonia und Flo von der Arbeitsgruppe Barrierefreie Uni zu uns ins Studio eingeladen. Herzlich Willkommen, Antonia!
ANTONIA: Danke, hallo!
ALEXANDRA: Herzlich Willkommen, Flo!
FLO: Guten Abend, danke für die Einladung!
GERT: Ja, und meine erste Frage ist jetzt einfach ganz banal: Wie hat sich eigentlich diese Arbeitsgruppe formiert? Gab es eine ausschlaggebende Idee oder eine Motivation dahinter?
FLO: Die ausschlaggebende Idee war eigentlich die gesamte Bewegung, die ganze Motivation im Zuge dieser Proteste. Es war tatsächlich so, dass sich die Arbeitsgruppe recht früh gegründet hat. An einem der Vormittagsplena gab es diesen allgemeinen Aufschwung, man sprach von Solidarisierung, von internationaler Solidarisierung. Und ich persönlich hab mir gedacht, dass da eine ganz wichtige Menschengruppe fehlt, und auch die Bedürfnisse einer ganz wichtigen Menschengruppe gar nicht angesprochen wird und ich hab dann diese Idee vorgetragen oder dieses Defizit eben klargemacht, dass hier auf eine Menschengruppe vergessen wird. Und das stieß sofort auf großen Zuspruch, sofort viel Applaus, also so bewertet man das im Audimax. Und zum Glück war da auch gleich die Antonia, die mit mir zusammen einen Sprachkurs besucht. Wir haben sozusagen gleich von Anfang an die Arbeitsgruppe gegründet und am ersten Tag gleich viele Sympathisanten auch dabei gehabt.
GERT: Wie groß ist denn die AG jetzt eigentlich? Ich mein, es ist natürlich alles ständig im Fluss, aber ungefähre Zahl?
ANTONIA: Also wir haben angefangen mit ca. fünf Leuten, die gleich am ersten Tag, an dem Samstag, dabei waren. Dann sind jetzt im Laufe der letzten Tage zwei noch dazu gekommen, die immer auch ständig zu den Treffen kommen. Ja, man kann sagen, der harte Kern ist momentan ungefähr sieben. Und es gibt Leute, die immer auch in den Email-Verteilern dabei sind und über alles bescheid wissen und mit diskutieren. Ja, aber der harte Kern ist ungefähr sieben Leute.
GERT: Gut, und jetzt stellt sich natürlich gleich von Anfang an die Frage: Ihr zwei seid keine Studierenden mit Behinderung oder mit speziellen Bedürfnissen, gibt es Leute in eurer Arbeitsgruppe?
ANTONIA: Ja, in unserer Arbeitsgruppe gibt es einen Mann, der selbst nicht Student ist, aber er ist sehr aktiv auch bei der ganzen Besetzung und bei der ganzen Protestaktion dabei. Und er ist selbst psychisch krank und kann auch sehr viel erzählen aus seiner Sicht eben und das gibt einen großen Beitrag unserer Gruppe.
ALEXANDRA: Aber ich hab euch gerade vorher auch gebärden gesehen, stimmt das?
FLO: Ja, das stimmt. Wir sind uns sehr wohl auch der Problematik bewusst, dass wir nicht selbst Betroffene sind, aber wir haben schon einen gewissen Zugang zu der Problematik. Wie gesagt, wir gebärden, wir gebärden in Österreichischer Gebärdensprache, wir kennen uns auch aus diesem Sprachkurs.
ALEXANDRA: Also das war der Sprachkurs, den ihr gemacht habt, den Gebärdensprachkurs?
FLO: Genau. Und immernoch machen. Und den Mann, den man nicht vorhin gehört hat, aber seine gedolmetschte Stimme, der Dawei, das ist auch unser Lehrer und dazu haben wir auch den Bezug zu dieser Community und zu der Behindertenproblematik im allgemeinen.
ALEXANDRA: Ganz kurze Frage: Wo macht man so einen Sprachkurs zum Beispiel? Am Sprachenzentrum?
ANTONIA: Ja, also es gibt verschiedene Möglichkeiten in Wien das zu machen. Also es gibt das Sprachenzentrum von der Uni Wien. Dort gibt es alle Level, also von Anfänger Eins bis Fortgeschrittene Sechs. Dann gibt es den WITAF, das ist der Wiener Gehörlosenverband und der bietet auch Kurse an, ebenfalls dieselben Level. Und dann gibt es noch Volkshochschulkurse. Dann gibt es –
FLO: Erweiterungscurriculum.
ANTONIA: Erweiterungscurriculum, genau, in der Uni, im Zuge von der Bildungswissenschaft, von dem Studium kann man das machen. Es gibt Equalizent und…
ALEXANDRA: Also eh einiges.
FLO: Ja.
ANTONIA: Ja, es gibt viele Institutionen.
ALEXANDRA: Und eure Forderung ist jetzt primär mal die nach der Umsetzung vom sogenannten Behindertengleichstellungsgesetz an den Unis.
FLO: Genau. Man muss das vielleicht ein bissl präzisieren. Es ist ständig die Rede von der Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes, also des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes. Dazu muss aber gesagt werden, dass ausdrücklich die Universitäten und die Hochschulen, bzw. der gesamte Bildungsbereich nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes liegt. Und wir haben unsere Forderung gestern dahingehend verändert, dass wir jetzt prinzipiell mal fordern, dass das Behindertengleichstellungsgesetz, was an sich eine gute Sache ist, auch für den Bildungsbereich gilt.
GERT: Vielleicht kann man mal klären, was steht denn eigentlich im Behindertengleichstellungsgesetz drinnen, was jetzt aber eigentlich nicht für die Unis gilt?
ANTONIA: Ja, also das Behindertengleichstellungsgesetz könnte man an sich eigentlich eher Behindertenschadensersatz-Gesetz nennen, weil da drin steht generell, dass von Diskriminierung behinderter Personen abgesehen werden soll. Und es gibt eben die Möglichkeit durch dieses Gesetz, dass sich die einzelnen Personen, also dass sie eine Grundlage haben, dass sie sagen können: „Hier, ich wurde diskriminiert von meinem Arbeitsplatz oder von irgendwelchen anderen Institutionen und ich hab jetzt das Recht, Schadensersatz zu bekommen“. Das sieht in dem Fall aus, dass man zum Beispiel seinen Arbeitsplatz zurück bekommen kann, wenn man aufgrund der Behinderung gefeuert wurde. Und es ist generell das Problem, dass es eben sehr allgemein formuliert ist, das Behindertengleichstellungsgesetz. Und dass da die Universitäten, der gesamte Bildungsbereich nicht dabei ist, ist das was fehlt und was wir eigentlich fordern, dass da die Universitäten dabei sind.
FLO: Das bedeutet also, dass dieses Behindertengleichstellungsgesetz eigentlich viel zu schwach formuliert ist und keinen richtigen Rechtsanspruch darstellt. Und das ist auch eine Sache, die wir kritisieren. Wir können da jetzt nicht direkt eine Gesetzesänderung irgendwie fordern, aber, wie die Antonia schon gesagt hat, einen Schadensersatzanspruch von 740 Euro gibt es, das hat so den Charakter von einem Ablasshandel, also „Ich kaufe mich frei für 740 Euro“. Es ist sozusagen nur ein freiwilliges Angebot, Barrieren oder Diskriminierung abzubauen. Aber es ist keine gesetzliche Verpflichtung da, dass wirklich österreichweit eine Antidiskriminierung stattfinden soll.
*Musik*
GERT: Die Musik mitgebracht hat heute der Flo, und das ist auch eine spezielle Musik.
FLO: Das Lied hab ich gewählt, weil es ganz gut zu der ganzen Protestbewegung passt. Also es ist ein Lied von Le Tigre und im Titel lautet es: Slideshow at the free university.
GERT: Okay. Auch die weitere Musik wird von dir dann kommen.
FLO: Genau.
GERT: Jetzt haben wir über das Behindertengleichstellungsgesetz gesprochen und das hat alles eher relativ unkonkret geklungen. Kann man jetzt eure Forderungen noch einmal konkretisieren: Was genau würdet ihr euch vorstellen, soll in der Uni passieren?
ANTONIA: Also wir haben gestern uns sehr lang zusammengesetzt mit einem Vertreter von dem Klagsverband und der hat uns aufgeklärt über die Rechtsgrundlage, was das Behindertengleichstellungsgesetz beinhaltet. Und er hat uns noch erzählt über die UN-Behindertenrechtskonvention. Die hat Punkte, die viel, viel
konkreter sind in Bezug auch auf die Bildung. Also diese UN-Behindertenrechtskonvention wurde von Österreich auch ratifiziert.
ALEXANDRA: Vor einem Jahr glaub ich, so ziemlich genau, stimmt das?
FLO: Genau, also vor einem Jahr.
*Stille*
ANTONIA: Ja gut, vor einem Jahr.
*Lachen*
ANTONIA: Und die beinhaltet, dass es einen Rechtsanspruch geben soll für die Behinderten-Gruppen. Also zum Beispiel, dass es Gebärdensprachdolmetscher geben soll im Bildungsbereich und in allen öffentlichen Institutionen. Oder dass zum Beispiel ein barrierefreier Zugang sein soll zu öffentlichen Gebäuden. Und das sind eben konkrete Punkte, die viel, viel konkreter in dieser UN-Behindertenrechtskonvention drin stehen, als sie in dem Behindertengleichstellungsgesetz von Österreich drin stehen. Insofern haben wir uns gedacht, dass das einfach verbunden werden sollte und dass wir das in unsere Forderung auch noch einnehmen werden, diese UN-Behindertenrechtskonvention.
FLO: Ideal wäre sozusagen ein paralleler Verlauf dieser beiden Dinge, das Behindertengleichstellungsgesetz und die Behindertenrechtskonvention. Es ist eine reine Konvention, wurde aber trotzdem von Österreich ratifiziert, Österreich ist sozusagen Vertragsstaat. Und all die konkreten Dinge, die in der Behindertenrechtskonvention drin stehen, beispielsweise „Die zur Verfügungstellung von DolmeterschInnen für gehörlose Menschen in allen Lebensbereichen soll garantiert sein“, das ist im Moment überhaupt nicht so. Also wie wir auch vorhin gehört haben, für Studierende ist die Situation überaus prekär. Wenn man sich das durchrechnet, brauchen Studierende mit einer Finanzierung vom Staat 20 Jahre um ihr Studium abzuschließen. Ich weiß, es gibt wahrscheinlich Menschen, die sowieso so lang brauchen, aber im Idealfall ist das natürlich viel zu lang.
ALEXANDRA: Gibt es Beispiele, wo diese Behindertenrechtskonvention schon umgesetzt ist? Gibt es Länder, wo das schon gut funktioniert? Ich nehme ja an, Österreich ist nicht das einzige Land, das die ratifiziert hat.
ANTONIA: Ja, also eben ganz am Anfang in der Rede von der Barbara Hager vom VÖGS. Sie hat angesprochen, dass das Land Schweden, das ist eben generell sehr, sehr minderheitenfreundlich, also es gibt Minderheitengruppen sehr viele Möglichkeiten und Chancen und eben auch rechtliche Grundlagen. In Schweden, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das jetzt auch ein Land war, was die UN-Konvention ratifiziert hat, aber es ist sehr wahrscheinlich. Ja und da sieht man zum Beispiel in Schweden, wenn einfach Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Studierende eingestellt werden und kontinuierlich eingestellt werden, dass dann eine viel, viel höhere Quote von gehörlosen Studierenden auch abschließt an der Uni. Ja und in der Rede wurde ja gesagt, das sind sechshundert. Und wir haben erfahren, es sind sechshundert bis eintausend Studierende in Schweden, die bereits einen Abschluss haben von der Universität, verglichen mit Österreich, wo es momentan zwanzig bis dreißig Studierende sind. Das ist natürlich ganz anders.
ALEXANDRA: Es fangen mehr Leute an und es werden auch mehr Leute dann fertig, hab ich das richtig verstanden?
ANTONIA: Genau, ja.
FLO: Genau.
ALEXANDRA: Es ist ja so, dass Barrierefreiheit, hat man oft den Eindruck, wird so verstanden als eben vor allem für Mobilität zu sorgen, also Lifte zum Beispiel einzubauen, Rampen zu bauen. Wieso ist das, eurer Meinung nach, so, dass da zum Beispiel Gehörlosigkeit gar nicht so oft thematisiert wird?
FLO: Das „Problem“, unter Anführungszeichen, bei der Gehörlosigkeit ist, dass es keine sichtbare Behinderung ist und dadurch vielleicht eine Ungleichzeitigkeit in dem Abbau von diversen Barrieren passiert. Es gibt bauliche Maßnahmen, die Uni reißt jetzt alle möglichen Gänge und Institutsräume auf und versucht die vielleicht barrierefreier zu machen. Aber man könnte vielleicht auch mal dort anfangen, wo es bereits Ressourcen gibt, man könnte mal dafür sorgen, dass die Aufzüge immer funktionieren oder dass sie auch zugänglich sind. Wir haben gerade heute einen offenen Brief von einer Studentin bekommen, die sich sehr dafür bedankt hat, dass es diese Bewegung gibt und auch dafür bittet, dass an ihrem Institut der Aufzug zugänglich ist. Also sie muss zwei mal anrufen, dass sie überhaupt den Lift sozusagen freigeschaltet bekommt. Und das ist jetzt einfach ein konkretes Beispiel. Also man muss auch versuchen, die Ressourcen, die zur Verfügung stehen, besser zu nützen.
ANTONIA: Und es ist eben so, wenn zum Beispiel jetzt im Idealfall am Hauptgebäude von der Uni Wien, wenn da alle Lifte funktionieren würden, alle Räume für RollstuhlfahrerInnen barrierefrei zugänglich wären, dann wäre das eine einmalige Sache. Alles ist gebaut, alles ist fertig, im Idealfall. Bei gehörlosen Studierenden ist es so, dass sie in manchen Fällen einfach täglich Dolmetscher brauchen für mehrere Stunden, weil sie ihre Lehrveranstaltungen gedolmetscht bekommen wollen. Das heißt, es ist nicht eine Sache, wo einmal Geld aufgewandt wird, Punkt aus, dann ist es fertig, sondern es ist kontinuierlich das Bedürfnis da. Und deswegen ist es auch eben, denke ich, ein Vorwand auch von den Ministerien zu sagen: „Wieso sollen wir jetzt ständig Geld rein geben und warum ist es nicht machbar mit einmal jetzt ein großes Budget zu geben und damit hat sich s?“.
GERT: Aber habt ihr schon auch den Eindruck, dass es da so eine Art Ungleichzeitigkeit bei der Barrierefreiheit gibt? Dass manche Forderungen schon wesentlich eher erfüllt werden, als andere?
FLO: Im Moment habe ich den Eindruck einer Unzeitigkeit. Dass sie gar nicht erfüllt werden. Dass sich da in diesem Bereich einfach sehr wenig tut.
ALEXANDRA: In welchem Bereich?
FLO: Im Bereich des Barrierenabbaus. Wie eben schon gesagt, im Behindertengleichstellungsgesetz steht zwar, dass auch bauliche Maßnahmen durchgeführt werden müssen zur Barrierefreiheit. Aber auch davon sind die Gebäude der Bildungseinrichtungen ausgenommen. Sozusagen ist das auf freiwilliger Basis, diese Barrierefreiheit. Und das ist eben auch etwas, was wir fordern, dass es auch in dem Bildungsbereich gelten wird.
ALEXANDRA: Aber die sind jetzt nicht von der UN-Konvention ausgenommen?
FLO: Nein. Nein, nein, nein. Vom Behindertengleichstellungsgesetz ist der gesamte Bildungsbereich ausgenommen. Im ersten Entwurf war der Bildungsbereich drin, aber dann ist er rausgeflogen, aus welchem Grund auch immer.
ALEXANDRA: Aber laut UN-Konvention müssten die dann ja eigentlich trotzdem barrierefrei sein.
FLO: Genau. Aber das Problem mit dieser Konvention ist, dass es eine reine Konvention ist. Und es gibt nicht wirklich Strafmaßnahmen oder etwas desgleichen.
GERT: Es gibt keine Rechtsinstanz, an die man sich wenden kann.
FLO: Ja genau, es gibt keine Rechtsinstanz. Das Einzige, was sie bekommen, ist eine Verwarnung.
ANTONIA: Ja, es gibt einen Monitoring-Ausschuss, der unabhängig von der Regierung Österreich beobachtet, was die Regierung macht, wie sie diese UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt oder eben nicht umsetzt. Sie schreibt einen Bericht, der wird nach Genf geschickt, ich glaub das war jetzt auch grad erst vor kurzem. Und der Rechtsberater vom Klagsverband hat uns gestern erzählt, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Österreich jetzt zum ersten Mal eine Verwarnung bekommen wird von der UNO. Und was dann passieren wird, wissen wir nicht, weil Österreich bisher keine Verwarnung jemals bekommen hat.
FLO: Das wird spannend.
*Musik*
ALEXANDRA: So, das war jetzt Mike Al Becker. Und für alle, die gerade erst eingeschaltet haben: wir sprechen heute mit Antonia und Flo von der „AG Barrierefreie Uni“. Meine nächste Frage wäre: die Forderung nach einem barrierefreiem Studium ist ja nur eine Forderung vieler, die im Rahmen des Protestes formuliert wurden. Wie ist es denn mit den anderen Forderungen, die es da gibt? Würde Studierende mit besonderen Bedürfnissen davon auch profitieren oder gibt’s da Überschneidungen? Würden zum Beispiel auch Studierende ohne Behinderungen von einer barrierefreien Uni profitieren?
FLO: Wir haben gestern in einem Bericht von Bundesministerium von Wissenschaft und Forschung – ein Bericht von 2006 – gelesen. Da haben wir herausgefunden, dass im gesamten Hochschulbereich insgesamt ca. 21 % mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen studieren. So, jetzt ist 21 % keine kleine Zahl. Man kann sagen, jedeR 5te ist in irgendeiner Art und Weise beeinträchtigt. Aber man kann da noch weiter gehen und sagen, wenn eine barrierefreie Uni oder barrierefreie Bildung gegeben wäre, würden auch sehr wohl nicht behinderte oder nicht behindert werdende Studierende bevorteilt. Und zwar ein paar Beispiele:
Der VÖGS fordert, dass Mitschriften zu den Vorlesungen online zugänglich sind und jeder der studiert oder studiert hat, kann sich vorstellen, dass das ein großer Vorteil ist. Etwa wenn man krank ist oder in irgendeiner Art und Weise verhindert, ist ein Online-Skript ein gutes Hilfsmittel, um die Vorlesung mitzuverfolgen. Oder der barrierefreie Zugang in Gebäuden durch Aufzüge oder irgendwelche anderen mechanischen Fortbewegungsmittel ist nicht nur für RollstuhlfahrerInnen von Vorteil, sondern auch für jemanden der sich… zum Beispiel… beide Beine bricht. Der oder die kann dann natürlich nicht gut Stufen steigen.
ALEXANDRA: ..oder Kinderwagen
FLO: Genau, darauf wollte ich als nächstes zu sprechen kommen.
ANTONIA: Ja, wir können da auch eine kleine Anekdote dazu erzählen. Was es zum Beispiel bringt, ÖGS-Dolmetscher in der Vorlesung zu haben, als nicht gehörlose Studierende. Denn der Flo und ich sind so auf unsere Leidenschaft ÖGS gekommen. Wir studieren nämlich beide unterschiedliche Fächer und haben beide gehörlose Kommilitoninnen gehabt. Und da waren des öfteren in den Lehrveranstaltungen Dolmetscher dabei. Dadurch haben wir Interesse und Aufmerksamkeit auf dieses Thema bekommen und so ein Interesse bekommen und gesehen, dass es so eine schöne Sprache ist und haben uns dafür interessiert und haben uns deshalb in den Sprachkursen angemeldet. Und so ist es auch einigen anderen gegangen.
ALEXANDRA: Und was war das für ein Kurs? Was studiert ihr überhaupt?
FLO: Also ich hab zum ersten Mal die Österreichische Gebärdensprache in einer Chemie- Vorlesung erlebt und ich muss ehrlich sagen, ich war immer schon fasziniert von dieser Sprache, nur entzog es sich immer meinem Horizont. Aber während der Chemie-Vorlesung hatte ich genug Zeit, der Dolmetscherin zuzuschauen und ich hab mich immer schon gefragt: Chemie ist ja schon so schwer genug… dass dann auch noch in ÖGS gedolmetscht zu bekommen; also ich war wirklich sehr fasziniert. Damals hab ich erkannt, dass die ÖGS eine voll funktionsfähige Sprache ist und alles was man sagen will, kann man ausdrücken. Ich hab mich dann in diese Richtung weiter umgeschaut. Ich war dann bei einer Studie dabei, die von der Uni Wien in Auftrag gegeben worden ist. Mit dem Namen: „Sprache Macht Wissen“ und da ging’s um die Situation gehörloser Studierender, gehörloser SchülerInnen und so weiter und ich hab mir wirklich gedacht, dass die Bildungssituation für gehörlose Kinder sehr prekär ist und ausbaufähig. Dann hab ich begonnen einen Sprachkurs zu machen ja… jetzt bin ich hier.
ANTONIA: Bei mir war es sehr ähnlich. Ich hab eine Vorlesung gehabt, die durchgehend gedolmetscht wurde und ja bei mir war der Knackpunkt, dass der gehörlose Student ein Referat gehalten hat. Zwanzig Minuten Stille und nur gebärdet und das hat mich so fasziniert.
ALEXANDRA: Und das konntet ihr alle verstehen?
ANTONIA: Nein, nein, natürlich nicht… Oder meinst du Lautsprache gedolmetscht? Ja also der gebärdet hat, das wurde natürlich in Lautsprache gedolmetscht.
FLO: Sozusagen barrierefreie Bildung eröffnet einfach neue Sichtweisen und erweitert den Horizont. Und ich glaube auch, dass wenn die Uni besser beschildert wäre oder einfacher zugänglich, würden viele davon profitieren.
GERT: Ein bisschen jetzt ein Themawechsel: ihr habt in eurem Wiki die Formulierung: Studierende mit besonderen Bedürfnissen oder speziellen Bedürfnissen. Und ihr habt vorhin auch erwähnt, dass das in eurer Gruppe ein Diskussionsprozess war, auf welchen Terminus ihr euch einigen wollt. Könnt ihr uns darüber etwas erzählen?
ANTONIA: Ja, also wir sind uns in unserer Arbeitsgruppe allesamt einig, dass es bei der Bezeichnung „Behindert“ geht es nicht darum, dass die Person inhärent behindert ist, sondern dass sie behindert wird. Also wenn eine Rollstuhlfahrerin vor einer Treppe sitzt, im Rollstuhl, und sagt: „Ich könnte ja in dieses Haus reinfahren, wenn ich denn könnte, wenn es eine Rampe gäbe.“ Insofern ist die Person nicht behindert sondern wird behindert von der Uni und auch von der Gesellschaft im Allgemeinen. Dazu ist dann zu sagen, dass im gesamtgesellschaftlichen Kontext „behindert“ eher so gesehen wird, dass die Person behindert ist und dadurch eine negative Konntotation hat, also einen negativen Beigeschmack und es wird ja auch teilweise als Schimpfwort verwendet. Man sagt ja: „Der Abend gestern war ja behindert“, weil man keine Zeit mehr hatte fortzugehen. Es ist also sehr negativ konnotiert. Deswegen sagen wir, dass es im gesamtgesellschaftlichen Bereich sinnvoller ist, zu sagen „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“, aber wenn wir das Wort „behindert“ verwenden, dann in dem Kontext behindert werden statt behindert sein.
FLO: Genau, sozusagen im Passiv.
ALEXANDRA: Und wie ist das mit den speziellen Bedürfnissen?
GERT: Gibt’s Kritik an diesem Terminus?
ANTONIA & FLO: Es gibt immer die Ausrede, dass jeder Mensch besondere Bedürfnisse hat.
ANTONIA: Aber es ist immer die Frage, wenn man eine Gruppe bezeichnet oder über sie spricht, ist es das Sinnvollste die Gruppe selbst anzusprechen und zu fragen. Zu sagen: „Gut, du bist gehörlos. Wie soll ich mit dir kommunizieren und wie soll ich dich nennen?“ Ganz plump. Und wenn dann die Person sagt: „Ich bin nicht behindert. Nenn mich einfach gehörlos“, muss ma da einfach sehr sensibel schauen, was wollen die Personen selbst.
ALEXANDRA: Ist ja auch logisch, dass die Menschen selbst entscheiden wollen, wie sie genannt werden sollen.
ANTONIA: Genau hier geht’s nicht um Stigmatisierung. Sondern, dass man die Personen selbst fragt und sensibel genug ist, auf die Personen zuzugehen und zu fragen : „Wie möchtest du es haben?“
*Musik*
GERT: Gut. Im Gegensatz zum vorigen Musikstück haben das jetzt die meisten gekannt.
FLO: Bei der Auswahl der Musik habe ich mir überlegt, einen Konnex zur Thematik herzustellen. Das eben war Ludwig van Beethoven. Wie wir alle wissen, ein spät ertaubter Musiker, der dann aber auch in seiner Gehörlosigkeit sehr wohl Musik komponiert hat und ein Virtuose in seinem Fach war. Und der Musiker davor, Mike al Becker, ist ein querschnittsgelähmter Musiker aus Deutschland, der dementsprechend im Rollstuhl sitzt. Das war also Rock´n´Roll im wahrsten Sinne des Wortes.
GERT: Als einer der letzten Punkte auf unserem Stichwortzettel haben wir „Vernetzung“ oben stehen. Die erste Frage, die sich mir jetzt aufdrängt: Habt ihr eigentlich Kontakt zu Lehrernden oder Personal an der Uni im Allgemeinen mit speziellen Bedürfnissen?
FLO: Wie es auch die Musikwahl klar macht, versuchen wir möglichst alle Behindertengruppen zu Vereine und die Problematik anzugehen. Was das Personal angeht, haben wir am 6.11 einen Termin mit der Behindertenbeauftragten der Uni Wien. Da werden wir gemeinschaftlich hingehen. Wir hoffen, dass wir möglichst viele Menschen aus den Interessensvertretungen mitnehmen können, die dann ihre speziellen Bedürfnisse vorbringen. Wir sehen uns in unserer Aufgabe eher als Plattform. Wir versuchen den aktuellen Aufwind der Bewegung zu nützen und die Leute zusammenbringen und das wir mit einem Elan gemeinsam was erreichen können. Das hoffen wir im ersten Schritt am Freitag mit der Behindertenbeauftragten erreichen zu können.
GERT: Trotzdem wollten wir alle, wir haben das während dem Musikstück besprochen, darauf zurückkommen, wo denn die Menschen mit Behinderung in eurer AG sind.
ANTONIA: Was meinst du mit wo?
GERT: Also ich hab 2 Eindrücke bei eurer Gruppe bekommen, wenn man es nicht genau weiß, geht es sehr stark um Menschen mit Gehörbehinderung und zum anderen würde man sich wünschen, dass es so was wie Selbstvertretung gibt. Aber jetzt sind halt leider 2 StudentInnen im Studio, die nicht selbst betroffen sind.
ANTONIA: Also zu dem Thema der Vernetzung und Organisation: Wir haben uns gleich beim ersten Treffen, als wir unsere Gruppe formatiert haben, schlau gemacht übers Internet, was gibt es für SelbstvertreterInnengruppen. Was für Organisationen gibt es, wer ist unser Ansprechpartner letztendlich. Wir sind als erstes auf den VÖGS gestoßen (Verein Österreichischer Gehörloser Studierender). Die sind sehr gut organisiert, selbst motiviert und machen selbst sehr viel. Haben viele Projekte schon dem Ministerium vorgelegt und viel ausgearbeitet. Und mit denen stehen wir auch jetzt…
ALEXANDRA: Die kommen ja auch morgen in den Audi-Max, hab ich gehört. Da gibts einen Aufruf auf ihrer Homepage zur Übernachtung.
FLO: Genau, in diese Richtung ist der VÖGS immer sehr aktiv gewesen. Ein Problem, auf das wir in dieser Richtung gestoßen sind, war, dass es keine richtigen Interessensvertretungen für die diversen Behindertengruppen gibt. Das heißt, wir haben keine richtige Interessensvertretung für blinde oder sehbeeinträchtigte Studierende gefunden, ganz einfach. Es gibt keine, unseres Wissens nach. Wenn wir falsch liegen und da draußen gibt’s sehr wohl eine IV, dann bitte bei uns melden.
ANTONIA: Vereinzelt haben wir Kontakt. Ich habe kürzlich einen blinden Student kennen gelernt und er wusste auch nix von einer übergeordneten Organisation oder Verband, der selbstvertretend ist. Wie gesagt: wir haben einen offenen Brief von einer Rollstuhlfahrerin bekommen und sie hat auch nichts erwähnt von einem Dachverband. Deshalb ist es schwierig zu sagen, wen können wir da jetzt ansprechen. Deswegen versuchen wir das über die ÖH Behindertenbeauftragte und die Beauftragte der Uni Wien, dass wir dort genug Kontakt bekommen und auch andere Gruppen unterstützen zu können und eine Plattform bieten können, wie bisher dem VÖGS.
ALEXANDRA: Und außer de Gespräch am Freitag, was sind sonst so eure Pläne für die Zukunft oder weitere Zukunft?
FLO: Das müssen wir glaub ich auch mal mit der Gruppe besprechen, wie wir dann weiter verfahren. Es wird sich mal am Freitag zeigen, das Gespräch was es für Angriffspunkte gibt, was für Möglichkeiten sich eröffnen mit der Behindertenbeauftragten der Uni Wien; also mein Eindruck ist, dass da sehr wohl Kooperationsbereitschaft herrscht und dann werden wir versuchen, gemeinsam in die Richtung weiter zu gehen und wie gesagt, die einzelnen Behindertengruppen einladen und ihre Interessen sammeln.
ANTONIA: Dazu ist zu sagen, dass eben unsere ganze Arbeit und auch die ganze Protestaktion im Audimax, das ist alles ein Prozess; das hat ganz spontan angefangen, unsere Gruppe hat sich ganz spontan formatiert und es ist alles ein Prozess und ändert sich ständig. So wie unsere Hauptforderung. Es wird immer mehr präzisiert, wir kriegen immer mehr Infos und Kontakt und können dementsprechend mehr neu ausarbeiten. Wir können nicht sagen, es gibt jetzt den Punkt, und der wird dann abgehakt und dann gibts einen nächsten Punkt und irgendwann sind wir am Ende und haben das und das erreicht. Das ist einfach nicht der Fall. Das ist alles ein Prozess und es kommt drauf an, wen wir treffen und wer uns weiterbringen kann und wen wir weiterbringen können. Das ist einfach alles ein Ablauf.
FLO: Panta Rei…
GERT: Aber es klingt jetzt so – ich mein, wir wollen das alle nicht wahr haben – aber früher oder später wird das Audi Max wahrscheinlich wieder hoffentlich freiwillig geräumt werden. Aber es klingt jedenfalls so, als würdet ihr weiterreichende Pläne in die Zukunft haben und das Momentum weiter ausnützen wollen.
FLO: Das stimmt. Also die Gründung war im Kontext dieser Protestbewegung, aber ich denk mal schon, dass wir so lange an dieser Sache arbeiten, solang wir noch Kraft haben, solang wir noch Menschen haben und solang die Forderungen noch nicht erfüllt sind. Also wir sind auch sehr wohl bereit, das weiterhin außerhalb des Audimaxes weiter zu tragen. Und indem wir uns immer mehr vernetzen und immer mehr Input bekommen, wir sehn das ja tag täglich, scheint unsere Gruppe zu wachsen, immer mehr Leute melden sich bei uns. Und dadurch wächst natürlich auch unsere Quelle.
GERT: Wenn man sich bei euch melden will, wie kann man das am besten machen?
ANTONIA: Wir haben eine Emailadresse, die geht: unibarrierefrei@gmail.com. Dort kann jede Person, die möchte, uns gerne schreiben, was auch immer der Inhalt sein mag. Und wir haben auch einen Wikipedia-Eintrag, so heißt das, auf der Homepage www.unsereuni.at, das ist eben diese offizielle Homepage von der gesamten Protestaktion vom Audimax und alle Universitäten, die auch besetzt sind. Und dort gibt es eben so ein internes Wikipedia, da kann jeder, ohne sich registrieren zu müssen, Beiträge leisten, Anregungen, Kritik.
FLO: Dort sieht man auch immer aktuelle Entwicklungen zu den einzelnen Arbeitsgruppen, wo wir uns treffen, also wir haben auch immer Arbeitsgruppen-Treffen an immer verschiedenen Orten, möglichst auch barrierefreie Orte. Da sieht man das dann auch im Wiki, wo wir uns treffen, wann wir uns treffen.
ALEXANDRA: Und wird es dann eigentlich morgen eine(n) GebärdensprachdolmeterIn geben, im Audimax?
ANTONIA: Darüber bin ich selbst nicht informiert. Die DolmetscherInnen werden beauftragt von dem VÖGS selbst.
ALEXANDRA: Ist anzunehmen, ja.
ANTONIA: Ich nehms schwer an, weil es bisher immer so war, dass wenn gehörlose Studierende dabei sind bei der Demo oder bei der Kundgebung oder bei der Besetzung, dann waren eigentlich immer DolmetscherInnen dabei.
FLO: Ich nehm auch an, dass bei dieser Großdemo diese Woche auch DolmetscherInnen dabei sein werden. Und hoffentlich auch recht viele RollstuhlfahrerInnen.
ANTONIA: Und Blinde.
*Lachen*
ANTONIA: Alles mögliche.
FLO: Und chronisch Kranke. Und einfach alle, die sich Betroffen fühlen. Ganz einfach. Die ihre Rechte nicht ordentlich umgesetzt sehen.
ANTONIA: Und Leute, die einfach Interesse haben, und selbst vielleicht gar nicht betroffen sind, sollen einfach auf die Leute zugehen und sagen: „Hey du bist blind, was ist dein Leben, was ist dein Inhalt, was motiviert dich, wie sieht dein Leben aus?“. Es ist einfach schön, auch in der Kommunikation zu sein mit solchen Menschen.
FLO: Denn grad jetzt besteht so ein Gefühl „Freie Uni“ und „Uni für alle“ und es ist so ein Hauch von Solidarisierung mit allem und jedem. Und gerade da ist es wichtig, dass sich alle zusammen tun. Dadurch, dass es Barrieren gibt, gibt es auch eine Teilung innerhalb der Studentenschaft. Und ich denke, wenn es keine Barrieren gäbe und die Uni wirklich frei für alle wäre, ja das ist eine schöne Zukunft.
*Lachen*
ALEXANDRA: Ja, in dem Sinn noch alles Gute!
FLO: Vielen Dank!
ALEXANDRA: Vielen Dank, Antonia und Flo, fürs Kommen.
ANTONIA: Danke für die Einladung!
*Musik*
GERT: Mit Ray Charles sind wir am Ende unserer heutigen Sendung angelangt. Zu Gast im Studio waren Antonia und Flo von der AG Barrierefreie Uni. Die nächste Ausgabe von Radio Stimme wird es wieder in zwei Wochen on air geben, auf dem freien und nicht kommerziellen Sender Ihres Vertrauens. Off air aber on line gibt es Radio Stimme jederzeit und weltweit zu hören. In unserem Internetarchiv sind sie alle, alle unsere Sendungen und Beiträge aus den letzten Jahren. Jederzeit zu hören, wann Sie es wollen, per Stream, Download oder Podcast. Unsere Homepage: www.initiative.minderheiten.at. Wer der Redaktion von Radio Stimme schreiben möchte, der sei schließlich auf unsere Emailadresse verwiesen: radio.stimme@initiative.minderheiten.at. Wir bedanken uns fürs Zuhören, Gert, Alexandra und die Tonmeisterin von heute Melanie, sagen auf Wiederhören in zwei Wochen.
*Musik*