Der VÖGS gratuliert Doris herzlichst zu ihrem Universitätsabschluss in Pädagogik. Eine ganz tolle Leistung hat sie erbracht und wir wünschen ihr weiterhin viel Erfolg.

Zum Artikel in der Tiroler Tageszeitung.  

Erste Gehörlose in Tirol schaffte Uni-Abschluss 

Doris Fischlechner hat ihr Studium abgeschlossen. Das Besondere daran: Sie ist die erste Gehörlose Tirols, die das geschafft hat.

„Zu Beginn war es für alle Beteiligten eine besondere Situation“, lässt Doris Fischlechner ihre ersten Eindrücke auf der Universität von der Gebärden- in die Lautsprache übersetzen. Schließlich hatte sie auch auf der Uni immer einen Dolmetscher dabei. „Und damit habe ich Aufsehen erregt“, erklärt sie. „Mitstudenten und Professoren haben am Anfang darauf geachtet, möglichst langsam und deutlich zu sprechen“, schmunzelt die 29-Jährige. Dabei wäre das gar nicht notwendig gewesen.

Von klein an taub

Doris Fischlechner ist im Alter von elf Monaten nach einer Gehirnhautentzündung ertaubt. Ihre Eltern sprachen aber weiter in der Lautsprache mit ihr und so lernte sie das Lippenlesen. In Mils besuchte sie die Hör- und Sprachpädagogikschule. Weil dort nicht nur Taube, sondern auch Schwerhörige und weniger Gehörlose zur Schule gehen, fand der Unterricht ebenfalls in der Lautsprache statt. Nebenher lernte sie schließlich die Gebärdensprache.

In Volders besuchte Doris Fischlechner das BORG, an Vormittagen übersetzten ihr Dolmetscher die Unterrichtsinhalte. Die Matura machte sie schließlich im Abendgymnasium. „Und dann wollte ich studieren. Meine Familie – vor allem mein Bruder -, meine Freunde und Kollegen haben mich in dem Wunsch bestärkt. Und ich wusste, dass ich es schaffen könnte“, beschreibt Fischlechner den Entschluss zur Uni zu gehen.

Viel selbst organisiert

Ein großes Interesse für das Fach Pädagogik war da und so inskribierte Doris Fischlechner an der Innsbrucker Universität. „Besondere Genehmigung habe ich dafür nicht gebraucht. Nur das Maturazeugnis halt“, erklärt sie. Allerdings musste sie sich zu Beginn ihre Dolmetscher selbst organisieren. Anders als heute gab es damals noch keine Dolmetschzentrale, bei der Gehörlose Gebärdensprachübersetzer buchen können.

Mit der Zeit gewöhnten sich die Mitstudenten daran, dass während der Vorlesungen draußen mitgedolmetscht wurde. „Auch meine ungewöhnliche Stimme, wenn ich mich mit der Lautsprache ausdrücke, war dann kein Thema mehr.“ Mit Ablehnung sei ihr nie jemand begegnet. Nur mit Neugierde. Einige Kollegen wollten dann sogar die Gebärdensprache lernen.

Während des Studiums arbeitete Doris Fischlechner in Studentenjobs beim Verein „Selbstbestimmt Leben“ oder der Lebenshilfe. Auch Ausgehen mit hörenden Mitstudenten und Studentenfeten gehörten zum Uni-Alltag. Ein fast normales Studentenleben halt.

Hilfe von Mitstudenten

Einzig die Gebärdensprache stieß bei den universitären Fachbegriffen an ihre Grenzen. „Dann habe ich mich mit den Dolmetschern zusammengesetzt und wir haben uns einfach neue Gebärden überlegt.“

Doch auch ohne Dolmetscher fand sich die gehörlose Studentin zurecht. Bei einer Exkursion nach Nicaragua musste sie sich auf ihre Kollegen verlassen. „Bei den Gesprächen oder Gruppendiskussionen hat ein Mitstudent alles mitgeschrieben. So habe ich auch hier nichts versäumt.“

Insgesamt war das Studium ein ewiges Auf und Ab. „Vor allem gegen Ende hin hat es sich schon sehr gezogen“, erklärt Fischlechner. Allein an der Diplomarbeit habe sie zwei Jahre gearbeitet. „Bis ich mich noch einmal zusammengerissen und sie fertig geschrieben habe.“

Mit dem richtigen Biss

Dass es so lange gedauert hat, bis ein gehörloser Mensch in Tirol einen Uni-Abschluss gemacht hat, kann sich Fischlechner auch nicht so recht erklären. „In Wien ist das Studieren für Gehörlose nichts Besonderes mehr. Vielleicht liegt es daran, dass es dort mehr Gehörlose gibt als bei uns“, meint Fischlechner. Derzeit arbeitet noch ein gehörloser Mann an der Uni Innsbruck an seiner Diplomarbeit.

„Schritt für Schritt und mit dem nötigen Biss ist ein Uni-Abschluss für Gehörlose möglich“, macht sie anderen Gehörlosen Mut.

„Ich bin jetzt erst einmal froh, dass ich frei habe“, lächelt die frisch gebackene Uni-Absolventin. Beruflich wolle sie mit Gehörlosen im pädagogischen Bereich arbeiten. „Was genau, das kann ich aber jetzt noch nicht sagen.“ 
Nikolaus Paumgartten
27.10.2006 

Zur Diplomarbeit von Doris: Gebärdensprachdolmetschen früher und heute aus der Sicht der Gehörlosen